„Partnerbetrieb Naturschutz“ im Artenvielfalt -„Hot-Spot“ Terrassenmosel
– oder die Beantwortung einer Gretchenfrage –
„Die Terrassenmosel ist eine der artenreichsten Regionen in ganz Deutschland“. Diese Aussage ist nicht etwa eine überzogene, lokalpatriotische Einzelmeinung, sondern mittlerweile, vielfach belegt, eine Art Binsenwahrheit. Allerdings ist dieser Artenreichtum, hier wie überall auf der Welt, stark bedroht und das nicht nur auf Grund des Klimawandels. Das Thema Biodiversität ist also derzeit brandaktuell und ich stellte mir die Frage „Was tun?“
Als ich vor über dreißig Jahren den Beruf des Winzers erlernt und im anschließenden Geisenheim – Studium mein Wissen vertieft habe, war die Erhaltung der Artenvielfalt eher ein Randthema, noch am ehesten besetzt von der neuen politischen Gruppierung der „Grünen“ und dementsprechend belächelt. In den Weinbergen wurde relativ sorglos und legal mit den verschiedensten „chemischen Keulen“ gegen allerlei Ungemach im Weinberg vorgegangen: der Vorauflaufwirkstoff „Simazin“, die sogenannten „Gelbspritzmittel“, das Insektizid E 605, Herbizide der Klasse „Wuchsstoff“ usw.
Es waren auch die Jahre, in denen, angesichts schwindelerregender Nitratwerte im Grundwasser, die bis dahin geltenden Düngeempfehlungen für Reinstickstoff von 300 kg/ha (!) und mehr „auf durchlässigen Böden“ leise in Frage gestellt wurden. An der unteren Mosel erlangte der Verbandsbürgermeister Franz Dötsch eine gewisse Berühmtheit nicht nur durch die Gründung der „Erzeugergemeinschaft Deutsches Eck“, sondern auch durch die Aktion „Rettet den Moselapollo“ in Zusammenarbeit mit Dr. Hans-Dieter Bourquin von der LLVA Trier und dem Leverkusener Schmetterlingskundler Helmut Kinkler.
Dann lernte ich Hermann Schausten kennen, den unvergessenen, 2010 allzu früh verstorbenen Kenner von allem was da in Feld, Wald, Weinberg läuft, hüpft, kriecht und fliegt. Er hat mir quasi die Augen für die ungeheure Artenvielfalt der Weinberge und der angrenzenden Felsen- und Trockenrasenflächen geöffnet. Ich hatte bis dahin schon immer gerne im Weinberg „etwas von Hand gemacht“ ( Mist fahren oder Stroh verteilen, graben mit dem Karst oder Bickel, generell Arbeiten, bei denen man sieht, was man geschafft hat ) und auch mehr aus „Ordnungsgründen“ Brachflächen um meine Wingertsparzellen per Motorsense freigehalten. Durch Hermann bekamen diese naturnahen Bewirtschaftungsweisen einen ökologischen Sinn.
Es dauerte bis 2014, bis ich den nächsten Schritt tat: unser rund 1 ha großer, traubenerzeugender Steillagenbetrieb wurde als „Partnerbetrieb Naturschutz“ (PN) anerkannt. Im Grunde bedeutet das, dass man bei der Weinbergsbewirtschaftung das Gesamtökosystem im Auge hat, also den Weinberg nicht isoliert sieht, sondern die angrenzenden Felsenregionen, die Trockenmauern oder auch die Wegerandstreifen mit berücksichtigt. Im Idealfall entsteht ein blühendes und strukturreiches Gesamtbiotop. Dabei werden keine Einschränkungen oder gar Sanktionen bei „Nichtgelingen“ ausgesprochen – es geht um die optimale Umsetzung einer „guten Absicht“. In Beratung mit Christopher Jung vom DLR Mosel und dem naturfachlichen Betreuer Peter Breuer werden wir nun versuchen, mit gezielten Entbuschungs- und Pflegemaßnahmen und Aussaat von entsprechenden Futterpflanzen wie Skabiosen-Flockenblume, dem mittlerweile “Wappenschmetterling“ der Terrassenmosel, dem Apollofalter, ein Leben in den Hatzenporter Weinbergen und Randflächen schmackhaft zu machen. Es gibt meines Wissens viele Winzerkollegen, die aus purer Freude in ihrem kleinen Bereich für ökologische Vielfalt sorgen – ihnen sei der Partnerbetrieb Naturschutz ans Herz gelegt!
Die Zertifizierung zum PN ließ mich dann auch eine Gretchenfrage beantworten, an der ich schon länger zu knabbern hatte. Eine Gretchenfrage ist laut Wikipedia „eine direkte, an den Kern eines Problems gehende Frage, die die Absichten und die Gesinnung des Gefragten aufdecken soll. Sie ist dem Gefragten meistens unangenehm, da sie ihn zu einem Bekenntnis bewegen soll, das er bisher nicht abgegeben hat.“ Ich fragte mich also, nach der ganzen o.a. Vorgeschichte meines beruflichen Werdegangs, frei nach Goethe: „Wie halte ich´s mit den Herbiziden?“ Die Antwort: ich lasse sie weg! Sie fiel mir gleichermaßen leicht und schwer: leicht, weil ich a) den Wert eines intakten Ökosystems Weinberg mittlerweile noch höher zu schätzen weiß und b) in der aktuellen Glyphosat-Diskussion auch vor mir selbst Stellung beziehen musste. Schwer, weil es zusätzliche körperliche Arbeit bedeutet: das Mähen der Weinberge mit Motorsense, das Abdecken des Unterstockbereichs mit Stroh – nicht nur Zeit und Mühe kostet es, auch bares Geld, wenn ich an die notwendigen RMS- Mulcharbeiten in den mechanisierbaren Parzellen denke. Aber 2015 hat mir den Anfang leicht gemacht. Im Frühjahr/Sommer war es lange Zeit so trocken, dass ich tatsächlich mit einem sehr späten ( weil Blüh- und Samenbildungsfördenden ) Mähdurchgang alle Parzellen und gleichzeitig deren Umfeld „im Griff“ hatte. Belohnt wurde diese Verhaltensweise mit beglückenden Begegnungen mit Smaragdeidechse und Segelfalter, mit Natternkopf in Massen und zu stolzer Höhe aufragenden Königskerzen. Auch der Orion- oder Fetthennenbläuling ( derzeit einziges nachgewiesenes Vorkommen an der Mosel in Hatzenport! ) ließ sich ablichten und die seltene Goldaster leuchtete im September sattgelb auf den Felsköpfen rund um den Hatzenporter Kirchberg. Es ist ja nicht so, dass diese Artenvielfalt vorher nicht da war, aber in diesem Jahr habe ich sie mir besonders deutlich vor Augen geführt und auch im Weinberg zugelassen. Und man spürt ganz intensiv die Verbundenheit mit diesem Ökosystem und auch die Verantwortung für dessen Erhalt.
Ich will nicht verschweigen, dass ich auch intensive Bekanntschaft mit dem Klettenkerbel gemacht habe ( das sind diese „anhänglichen“, kleinen, millionenfachen, braunen, Getreidekorngroßen Samen, die sich im Herbst überall – und ich meine wirklich überall – besonders aber in Wollstrümpfen festsetzen! ) Und wie wäre es wohl ausgegangen, wenn das Jahr einen „krautfreundlicheren“, feuchten Verlauf genommen hätte? Zweimal mähen? Dreimal?……….
2015 war auch das Jahr, in dem Magdalena und ich uns zum Naturerlebnisbegleiter haben ausbilden lassen. Von Januar bis Juli sind wir mit Anne und Martina fast jede Woche Dienstag nach Bernkastel gefahren und haben so viel über Artenvielfalt gelernt, dass wir jetzt mit Fug und Recht sagen können: „Wir wissen, dass wir (so gut wie ) nichts wissen!“ Aber – und hier schließt sich der Kreis – wir haben die Terrassenmosel als einen d e r Brennpunkte der Artenvielfalt kennengelernt.
Wir werden uns also im nächsten Jahr mit viel Elan in die Naturerlebnisbegleiterbranche stürzen und versuchen, möglichst vielen Menschen den Blick für das Kleine, oft Verborgene zu schärfen.